Nepenthes lowii I

Nepenthes lowii Hook.f. wächst in den Bergen Borneos und ist ein bemerkenswerter Endemit. Die Art ist benannt nach Sir Hugh Low, der die Art am Kinabalu entdeckte.

 

Während untere Kannen typische Nepenthesmerkmale aufweisen (bauchig-zylindrische Kannenform, Flügel, deutliches Peristom; siehe Phillipps und Lamb 1996), haben dagegen obere Kannen eine extreme Einschnürung ihrer Kannenform, ein reduziertes Peristom und starke Borsten auf der Deckelunterseite. Diese letztere Kannenform wird auf den folgenden Bildern dargestellt.

Form und Farben sind auffällig bei Nepenthes lowii

Die Kanne ist aussen unscheinbar grün. Oberhalb des bauchigen Teils engt sich die Kanne extrem ein und weitet sich anschliessend zu einem breiten, attraktiven Trichter. Ebenso auffällig gefärbt ist der zurückgebogene, auf der Unterseite mit Borsten besetzte Deckel.

Kanne von N. lowii

Aussen sind die Kannen samt Deckeloberseite rein grün; ein kurzes, dickes Spitzchen (siehe rechts) steht am Grunde des eiförmigen Deckels

Die etwas ausgefallene Kannenform wird heute gedeutet durch Selektionsdruck, hervorgerufen durch den Mangel an Insekten einerseits (Höhenlage) und durch Anpassung an Spitzhörnchen (Tupaia montana) andererseits. Die Gestalt des Spitzhörnchens passt tatsächlich auf die N. lowii - Kanne: Kopf auf den Deckel gerichtet, wo Belohnung winkt; Hinterteil über dem Kannengrund, wo der abgegebene Kot direkt in den Schlund plumpst.

 

Die Kanne als Plumpsklo? N. lowii füttert den Gast mit Deckel-Sekreten, erhält dafür als Gegenleistung willkommene Nährstoffe via abgegebenen Kot (siehe Clarke et al. 2009). Neuerdings wird aber Insektenmangel im Gebirge als Selektionsdruck bezweifelt (siehe Grafe et al. 2011), denn auch im Tiefland treten mutualistische Beziehungen ohne Insektenmangel auf (Beziehung Nepentheskanne mit Fledermäusen).

Deckel (lid)

Der zurückgeschlagene Deckel ist mit einem starken Mittelnerv versehen -im Gegensatz zu N. rajah mit deutlich ausgeprägten Lateralnerven. Auf der Unterseite fallen die sehr zahlreichen Borsten auf, dazwischen liegen Drüsenöffnungen. Die Nektardrüsen sind stark entwickelt und nicht nur kuchenartig, sondern im Querschnitt oft unregelmässig geformt (siehe auch Macfarlane 1908). Die Borsten (Emergenzen) werden von Leitbündeln versorgt und haben eine besondere Zellstruktur.

Borsten der Deckelunterseite

1  Querschnitt mit Mittelnerv (rechts)    2  Borsten (bristles)    3  B  Borste  LB  Leitbündel  ND  Nektardrüse    4  Zellstruktur einer Borste

Querschnitte durch Nektardrüsen mit enger Austrittsöffnung

Diese Deckel sezernieren grosse Mengen einer weissen, zuckerhaltigen Substanz, die von den Spitzhörnchen "abgeweidet" wird. Sicher sind die Nektardrüsen an der Produktion wesentlich mitbeteiligt. Und die Rolle der Borsten? Es wird etwa berichtet, dass sich die Substanz in der basalen Umgebung der Borsten anhäuft. Die Zusammensetzung der Substanz wird neuerdings in Bonn analysiert. Vielleicht gelingt es dann auch, die Funktion der Borsten aufzudecken.

Das reduzierte Peristom

Normalerweise ist das Peristom zylindrisch gebaut: Innen liegen Rippen mit Zähnen und Drüsen, aussen sind die Rippen eingerollt. Dies ist auch oft der Fall bei den selteneren N. lowii - Bodenkannen. Die N. lowii - Hängekanne dagegen (seltener auch bei unteren Bodenkannen) hat ein reduziertes Peristom. Innen liegen Rippen mit winzigen Zähnen und darunter liegenden Drüsenöffnungen, aber die Aussenseite des Peristoms fehlt gänzlich! Der Kannenrand wird abgeschlossen mit einer scharfen Kante. Diese Kante ist der eigentliche Blattrand und ist nicht wie bei anderen Arten eingerollt. Bei vielen Nepenthes-Arten ist das Peristom streifig-mehrfarbig, bei N. lowii aber ist es völlig unscheinbar, und die Farbigkeit wird auf die Kanneninnenseite verlagert.

 

Da schon Nektarvögel beobachtet wurden, wie sie Nektar am Deckel schlürften (Clarke 1997), dürfte auch das einfache, scharfkantige Peristom erklärbar sein: Ein Vogelfuss hat an dieser Kante einen besseren Halt als an einem gerundeten Peristom, das bei Regen sogar äusserst schlüpfrig wird.

Attraktiver, breiter Kanneneingang mit reduziertem Peristom als Einfassung

1,2  Innenseite mit Rippen, unscheinbaren Zähnen und Drüsenmündungen; nach unten folgt direkt eine Zone mit Verdauungsdrüsen

3  Scharfkantiger Abschluss der Innenseite    4  Aussenseite der Kante mit Kraushaarzone

Längsschnitte

I  Innenseite    A  Aussenseite    Z  Winziger Zahn    KZ  Kraushaarzone (aus Deckelverschluss)    KR  Kannenrand (=Blattrand), scharfe Kante    DM  Drüsenmündung

Verdauungsdrüsen

Obwohl die Kanne oben trichterförmig erweitert ist und damit bei den meisten Arten eine Gleitzone verbunden ist, fehlt diese Gleitzone bei N. lowii völlig.
Die obersten Drüsen sind sehr klein und teilweise bedeckt von einer Epidermistasche. Im untersten, bauchig-kugeligen Kannenteil erwartet uns eine weitere Ueberraschung: Die grossen Verdauungsdrüsen stossen fast gitterartig aneinander und sind polygonal gebaut (seltener breitoval und mit etwas grösseren Abständen).

Winzige Drüsen mit Epidermistaschen im trichterförmigen Kannenteil

Grosse polygonale bis ovale Drüsen im unteren, bauchigen Kannenteil

Zum "Blattstiel"

Kännelartiger Blattstiel (rechts unten Querschnitt)

Der Blattstiel (eigentlich Teil des Unterblattes) ist wie der übrige Teil des Blattes sehr robust gebaut. Die Flügel dieses Blattstiels haben eine kännelartige Form, die sogar junge Anlagen völlig einschliessen kann. Diese kännelartige Bildung teilt N. lowii allerdings mit mehreren anderen Nepenthesarten.