Unterengadin

Ofenpass: Botanischer Garten

Auf der Ofenpasshöhe (Pass dal Fuorn; Süsom Givè) halten in der Hochsaison Tausende von Touristen an und bewundern die Sicht über das Münstertal und auf den Ortler (Südtirol, 3905 m).

Blick von der Ofenpasshöhe auf den Ortler

Schade, denn nach wenigen Minuten ziehen die meisten Ausflügler talwärts anderen Zielen entgegen. Nur eine zusätzliche Stunde in der Umgebung des Ofenpasses -unter geringem, körperlichem Aufwand (allerdings mit gutem Schuhwerk)- würde die Ausflügler beglücken.

 

Im Juli bietet uns der nördlich vom Pass ausgehende Pfad Eindrücke, die die Sinne der Menschen voll erfassen: Der Duft von Föhren und Arven, die Fülle von Blütenfarben, das Knarren der Tannenhäher...

 

Die Artenfülle an Pflanzen längs des Pfades würde sich als "Botanischer Garten" geradezu anbieten!

 

Bergföhrenwälder mit Arven prägen unsere Gegend (Schneeheide-Bergföhrenwald; Steinrosen-Bergföhrenwald). Mittendrin wachsen Bestände der Blaugrashalde.

Arten des Bergföhrenwaldes ("Erico-Pinion mugo")

Arve (Pinus cembra)

Die Arve lässt sich gut von den anderen Pinus-Arten unterscheiden: Pro Kurztrieb entwickelt sie 5 Nadeln, die innen bläulich-grün sind. Die Arvennüsschen werden von den Tannenhähern gesammelt und vergraben. Meist finden sie im Winter die Samen unter der Schneedecke.

 

Hier im Ofenpassgebiet wurden die vergrabenen Samen von einem Tannenhäher in einer Rekordgrabröhre in einer Schneedecke von 130 cm Tiefe wieder aufgefunden (Burckhardt 1958)!

Silberwurz (Dryas octopetala)

1  Blüte, 8 (7-9) Kronblätter

2  Früchtchen mit federig behaartem Griffel (Haar-Schirmflieger/ Federschweifflieger)

3  Blätter immergrün, lederig, unterseits weissfilzig

Die auf Kalk wachsende Silberwurz ist eine Pionierpflanze, die bis 100 Jahre alt werden kann. Sie ist zirkumpolar verbreitet.

 

Dryas ist ein Zwergstrauch (Spalierstrauch). Mit der Zeit stirbt das Entstehungszentrum, der Hauptspross, ab. Entwickelte Seitensprosse haben eine relativ starke Adventivwurzelbildung (Hartmann 1957).

Abgestorbene Teile von Dryas

Eine Pionierpflanze benötigt oft Symbionten. Dryas verfügt über ektotrophe Mykorrhiza und bildet sogar Wurzelknöllchen mit Strahlenpilzen aus (Weber in Hegi 1995). Strahlenpilze werden heute zu den Bakterien gerechnet.

 

Dryas hat aber auch zahlreiche Pilze als Parasiten (Brandenburger 1985).

1  Schneeheide, Erika (Erica carnea, E. herbacea)    2  Steinröschen (Daphne striata)   

3  Buchsblättrige Kreuzblume (Polygala chamaebuxus)

Niedrige Segge (Carex humilis); sie wächst eher an sonnig-trockenen Pionierstellen im Bergföhrenwald

1  Wohlriechende Handwurz (Gymnadenia odoratissima alba)

2  Bewimperte Alpenrose (Rhododendron hirsutum)

3  Frühlings-Enzian (Gentiana verna)

Aufstieg im lichten Bergföhrenwald

Arten der Blaugrashalde (Seslerio-Caricetum sempervirentis)

Herzblättrige Kugelblume (Globularia cordifolia)

Links: Alpen-Wundklee (Anthyllis alpestris, Anthyllis vulneraria ssp. alpestris)

Rechts oben: Horst-Segge (Carex sempervirens)    Rechts unten: Blaugras (Sesleria coerulea, S. varia)

Arten mit Schwerpunkt in anderen Gesellschaften

Der Blick weitet sich. Wir haben die Waldgrenze hinter uns gelassen, und vor uns liegt das weiträumige Ofenpassgebiet. Südlich über dem Ofenpass steht der mächtige Piz Daint.

1  Blaugrüner Steinbrech (Saxifraga caesia); Schwerpunkt im Caricetum firmae = Polsterseggen-Rasen

2 Moschus-Steinbrech (Saxifraga moschata); konstant im Caricetum firmae, auch in Felsritzen

3  Kriechendes Gipskraut (Gypsophila repens); tritt in verschiedensten Gesellschaften auf  (Schutt, Fels und selbst Trockenrasen)

Piz Daint

Vertreter von Schneetälchen

Wir haben unsere Kurzwanderung durch den Bergföhrenwald beendet. Aber für Mutige warten weitere Kostbarkeiten auf Entdeckung, allerdings auf schmalen Pfaden, wo Trittsicherheit gefordert ist.

 

Aber schon jetzt fallen uns die am Boden kriechenden Weiden auf: Stumpfblättrige Weide (Salix retusa) und Netz-Weide (Salix reticulata), dazwischen wachsen weitere Besonderheiten von Schuttgesellschaften und Schneetälchen.

Links: Zwerg-Baldrian (Valeriana supina)

Rechts: Blattloser Ehrenpreis (Veronica aphylla)