Wanzen - nein, danke!
Wanzen lösen nicht gerade Begeisterung aus. Dies ist durchaus zu verstehen: Wer sich mit einem roten Kranz von juckenden Bettwanzenstichen am Oberschenkel abplagen muss, will nichts mehr von Wanzen hören. Wer eine Beere ausspucken muss, weil sie übel riecht und schmeckt von Wanzensekreten, will diese Verderber von Gaumenfreuden nicht mehr zu Gesicht bekommen.
Viele Wanzen sind aber nicht nur schön, sondern auch in biologischer Hinsicht äusserst interessant. Werfen wir also unser Vorurteil ab, und tasten wir uns an diese Gruppe heran.
Die Mundwerkzeuge der Wanzen sind stechend-saugend. Der lange, weichhäutige Schnabel wird aus der umgewandelten Unterlippe gebildet. Der Schnabel bildet eine Rinne, in der die dünnen, harten Stechborsten (= Ober- und Unterkieferteile) liegen. Die Unterkieferborsten bilden zudem 2 Kanäle, je ein Nahrungs- und ein Speichelrohr. Zum Hineinstechen werden die harten Borsten verwendet, die weichhäutige Unterlippe dagegen knickt ein.
Viele Wanzen haben auffällige Farben, die als Warnfarben gedeutet werden. Am zweiten Brustring liegen seitlich die Stink- oder Giftdrüsen, die bei Bedarf eingesetzt werden!
Das Gift wirkt bei anderen Insekten (z.B. Käfer oder Ameisen) als Kontaktgift und lähmt. Die Wanzen schützen sich vor ihrem eigenen Gift. Ihre Atemöffnungen haben Vorrichtungen, die das Eindringen des eigenen Giftes verhindern.
Die Entwicklung der Wanzen verläuft ohne Puppenstadium; die Larven gleichen nach jeder Häutung immer mehr dem ausgewachsenen Insekt (= hemimetabole Entwicklung).
Die Larven der Wanzen ernähren sich wie die Ausgewachsenen. Meist werden Pflanzen angestochen oder andere Insekten attackiert und ausgesaugt. Um die meist einseitige Nahrung ausgleichen zu können, haben viele Wanzen in ihrem Körper Symbionten (Bakterien, Einzeller, Pilze), die Zusatzstoffe liefern.
Wanzen werden als "Ungleichflügler" = "Heteroptera" bezeichnet, da ihr Vorderflügel zweiteilig ist: Der vordere Teil ist lederig, der hintere durchsichtig (siehe Erdwanze). Auffällig bei allen Wanzen ist der breite Halsschild (Pronotum) und das Schildchen (Scutellum).
Rhyparochromus vulgaris (Gemeine Bodenwanze)
Gefunden in unserer Wohnstube im Dezember! Diese Wanze überwintert in Ritzen von Baumstämmen und Pfählen und wird oft mit Brennholz in Stuben gebracht, wo die Tiere infolge erhöhter Temperatur aktiv werden. Es sind aber keine Schädlinge, wie viele besorgte Mitbürger argwöhnen. Normalerweise bohren sie Pflanzensamen an.
Das Pronotum ist zweifarbig, vorne schwarz und hinten hell. Der lederige Teil des Vorderflügels hat einen schwarz-weissen Flecken.
Eurydema oleracea (Kohlwanze)
Diese Wanze lebt gern auf Kreuzblütlern, saugt aber auch Insekten aus! Diese Wanze führt uns aber ein anderes Problem vor Augen: Farben sind zur Bestimmung lange nicht immer geeignet. Die hier gelb gefärbten Stellen können auch rot oder weiss sein!
Graphosoma lineatum (Streifenwanze)
Diese hübsche Wanze lebt auf Dolden- und Korbblütlergewächsen. Sie ist gekennzeichnet durch schwarze Längsstreifen. Eine typische Paarungsstellung ist: Hinterleibsende an Hinterleibsende; daneben gibt es andere Stellungen.
Carpocoris pudicus (Baumwanze)
Diese Baumwanze lebt besonders im Mittelmeergebiet und in warmen Lagen bis nach Mitteleuropa.
Dolycoris baccarum (Beerenwanze)
20 cm weit kann diese Wanze ihr Sekret ausspritzen! Ihre Fühler sind geringelt. Die Vorderflügel haben einen violetten Grundton. Sie hält sich gern auf Brombeeren und Himbeeren auf.
Carpocoris-Larven
Neben der grossen Variabilität punkto Farben warten Wanzen noch mit einer anderen Ueberraschung auf: Ihre Larven haben oft total anders gefärbte Flecken und Muster! So wird eine exakte Bestimmung sehr schwierig, denn dieser Bereich (Wechsel des Musters in der Individualentwicklung) ist sehr wenig studiert.
Leptoglossus occidentalis (Amerikanische Zapfenwanze, Kiefernwanze)
Auch Neubürger tauchen auf, so die Amerikanische Zapfenwanze oder Kiefernwanze. Sie ernährt sich von Samen der Nadelhölzer. Sie soll aber keinen bleibenden Schaden verursachen, da die Bäume nach Befall (offenbar werden auch Knospen angestochen) sich regenerieren.